Stephan Ferenczy (57), in Hamburg geboren, lebt nun seit mehr als 30 Jahren in Wien. Im Interview verrät er, worin für ihn die Unterschiede zwischen dem Wohnen in der Hansestadt und seiner Wahlheimat bestehen, wie er zum Mitbegründer des Architekturbüros BEHF wurde und wie er selbst gern wohnen möchte.
Ein Treppenabgang der Wiener Albertina

Du bist in Hamburg geboren. Wie lange lebst du jetzt schon in Wien?


Ferenczy: Über 30 Jahre. Ich habe tatsächlich die Mehrheit meines Lebens in Österreich verbracht. Das hört keiner, aber spüren tut man‘s.

Gibt es einen Unterschied, wie ein Hamburger und ein Wiener wohnen?


Ferenczy: Unbedingt. Wir unterscheiden hier nicht zwischen Hamburger und Wiener, sondern wir unterscheiden Katholiken und Protestanten. Die haben ganz unterschiedliche Vorstellungen davon wie man lebt. Und dann unterscheiden wir natürlich auch noch Nordländer und alpennahe Länder. Südländer kann man schwer sagen, aber wir haben hier verschiedene Parameter, die das Wohnen unterschiedlich beeinflussen. Dank IKEA, Facebook und Internet gibt es eine bestimmte Internationalisierung, durch die sich traditions- oder religionsbegründete Unterschiede langsam auflösen. Vielleicht liegt es auch an Netflix mit den ganzen Serien, die uns beim Thema „Wohnen“ beeinflussen. Aber Unterschiede gibt es – noch.

Ein Flussarm der Speicherstadt in Hamburg

Lebt man in Wien eher leicht Barock und in Hamburger mondän an Hafen, Meer und Hanse?



Ferenczy: Ich wünschte, Hamburg wäre mondän. Dann wäre ich dortgeblieben. Nein, Hamburg ist nicht mondän. Hamburg hat Eingänge, die würde man „Rattenlöcher“ nennen, wenn man sie mit den Wiener Hauseingängen vergleicht. Ich liebe es, in Hamburg Stiegenhäuser zu betreten, denn dort knarren immer die Stiegen. Das tut in Wien kein Stiegenhaus, denn Wiener Stiegenhäuser sind schwerer: Marmor, wertvoller Granit oder gegenwart-neuzeitlicher Beton mit Fließbodenbelag. Das ist natürlich eine andere Welt. Die Unterschiede bestehen im Format, die dann wiederum einen gesellschaftlichen Anspruch widerspiegeln. In Wien ist es innerhalb des Gürtels noch ganz üblich, dass Studenten– jetzt gar nicht unbedingt mit großen Mitteln ausgestattete Weltenbürger – in Wohnungen mit Zimmerfluchten und Flügeltüren wohnen; in Räumen, die 3,50 m hoch sind und mit prächtigem Stuck bespielt sind. Marmorkamine zeugen von ehemaligem Komfort. Das sieht in Hamburg alles kleiner aus und hat andere Maßstäbe. Jetzt ist die Frage: Wo fühle ich mich wohler? Das ist gar nicht so leicht zu beantworten.

Architekt Stephan Ferency in Frontalansicht, er trägt einen grauen Pullover und ein weißes Hemd mit Krawatte.

Wie bist du zur Architektur gekommen? Ich habe gehört, du wolltest Designer werden?


Ferenczy: Ich war kein guter Schüler, das ist die Wahrheit. Ich behaupte natürlich, das lag an meinem Lebenswandel und nicht an meinen geistigen Fähigkeiten. Ich habe mich vor der Strenge eines Architekturstudiums gefürchtet – das ist das Eine. Das Zweite, ich hab durch meine Familie eine gewisse Affinität in Richtung Ausstattung gehabt. Wir sind sehr aufgeklärt in einem coolen skandinavischen Design aufgewachsen. Ich habe eine gewisse familiäre Geschmacksausbildung bekommen, die mich immer noch gerne im Feld der Inneneinrichtung tätig sein lässt, die mich wohlfühlen lässt und die mich sicher sein lässt. Architektur kann man in Hamburg gar nicht richtig studieren. Das darf man gar nicht laut sagen, aber ich sag‘s mal: Hamburg ist jetzt nicht wirklich berühmt für seine Architektur. Man muss dann nach Karlsruhe, Braunschweig oder Aachen gehen. Das ist eine Strafe, in so kleinen Käffern Architektur zu studieren. Ich wollte nach Paris oder New York und dann ist es Stuttgart geworden.

Der Architekt Stephan Ferenczy im Interview.

Aber bist du nicht in Wien in die Meisterklasse gegangen?


Ferenczy: Genau. Nach Stuttgart habe ich zwei Jahre Möbeldesign und Interior studiert und bin dann, weil das dann doch nicht meinen Lebenserwartungen entsprochen hat, mit wehenden Fahnen nach Wien übersiedelt. Ich bin in die Meisterklasse Wilhelm Holzbauer für Architektur gegangen. Und der Alte hat mich in einem lockeren, sympathischen Gespräch aufgenommen. Und dann bin ich hier geblieben.

Eine Hand schnitzt ein Muster in Holz.

Ihr seid ja mehrere Geschäftsführer und Partner. Ist das auch ein Meisterklassensystem?


Ferenczy: Naja, wir sind alle aus der Meisterklasse Holzbauer und haben dann tatsächlich in diesem doch eher intimen, familiären Geist der Hochschule für angewandte Kunst gelernt. Im Gegensatz zur TU (Technische Universität) konnte man sich angenehm miteinander verbrüdern und verschwestern. Das ist ein kleiner, akademischer Betrieb, der dich sehr elitär auswählt, dich bis zu deinem Abschluss begleitet, wo du nicht zum Kämpfer erzogen wirst und dich gar nicht durchsetzen musst, wo du sympathischerweise von einer Community getragen wirst. Dieses Gruppenerlebnis hat uns dazu geführt, in irgendeiner Form daran zu haften und zu sagen „Lass uns doch gemeinsam eine Firma gründen“. Das war Armin Ebner, der mich im Keller des Café Stein fragte: „Das würde doch Sinn machen, wenn wir zusammen bleiben?“.

Ihr habt also quasi bereits auf der Uni den Gründerstein gelegt. Wo wohnst du eigentlich in Wien?


Ferenczy: Ich wohne in einem Hochhaus. Ich wohne im berühmten ersten Hochhaus im ersten Bezirk in der Herrengasse. Da wohne ich schon fast 20 Jahre und das mit großem Enthusiasmus.

Affinität zum Hochhaus?


Ferenczy: Überhaupt nicht. Allerdings zum Etagenwohnen. Ich brauche nicht viele Stockwerke, um in meiner eigenen Wohnung glücklich zu sein. Ich schaue lieber die Fernsehserie „Onkel Bill“ an. Das ist eine Fernsehserie aus den 60er-Jahren, die in Manhattan spielt und wo man sich heute gar nicht vorstellen kann, da glücklich zu wohnen. Die Leute haben lieber in Baden eine Villa mit Garten. Aber ich finde in der Etage zu wohnen auch sehr schön.

Dann müsste dir die Serie „Mad Men“ auch sehr gefallen.


Ferenczy: Genau. (lacht)

Im Hintergrund ein Hochhaus, im Vordergrund spielen zwei Kinder auf dem Spielplatz.

Nun zu eurer Firma. Ich würde noch gerne ein Masterpiece von eurem Wohnbau sehen.


Ferenczy: Ich habe ein Projekt, das ich immer wieder erwähne, das ich sehr gerne habe und sehr interessant ist. Es ist jetzt schon bald 10 Jahre alt. Es ist ein Wettbewerbsverfahren gewesen, das wir mit einem Wohngemeinschaftshaus gewonnen haben, in dem 100 Wohngemeinschaften gebaut und belegt wurden. Allerdings wohnen in diesem Haus hauptsächlich Studenten. Das sind halt zwei „normale“ Häuser, in denen einerseits die jungen Familien ohne Studium wohnen, die Kinder haben und ein Schafzimmer und ein Wohnzimmer bevorzugen. Andererseits sitzen die aufgeklärten Studenten in diesen Wohngemeinschaften und befüllen dieses Haus. Dieses Projekt mag ich sehr gerne, weil man absehen kann, wohin die Reise geht. Es heißt „Junges Wohnen – Citycom2“.

Eingang eines Barcelona Pavillions

Hast du eine Traumwohnung?


Ferenczy: Ja, meine Wohnung gibt’s (lacht). Die liebe ich sehr. Eine der tollsten Wohnformen, die ich mir vorstellen könnte, wenn ich mir was wünschen dürfte, ist ein Barcelona Pavillon. Der Barcelona Pavillon oder die Villa Tugendhat sind Glaskisten, wo man schon ein größeres Grundstück dafür benötigt. Diese Wohnform finde ich sehr erstrebenswert: Klar, haptisch materiell und wenig dekoriert. Wie aus den 60ern – „Mad Men“ eben.