Die „Deglobalisierung“ schreitet voran!


Ist es ein guter Deal, den die EU mit den USA bei den Zöllen ausgemacht hat? Die Antwort ist „Nein“. Hatte die EU die Chance, einen besseren Deal zu erhalten? Wahrscheinlich nicht – zu schwach ist die Position der EU in politischer, militärischer, aber wahrscheinlich auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Eine aus vielen unterschiedlichen Nationen und Interessen zusammengesetzte Organisation hat gegenüber einem Staat, in dem es offensichtlich nur eine „Meinung“ gibt, wenig Chancen – noch dazu, wenn man militärisch von diesem Land bzw. vor allem seinem Präsidenten abhängig ist. Und ökonomisch ist man zwar gut, teilweise, was die Industrie betrifft, sogar besser als die USA, aber die Kaufkraft bleibt am Ende nur halb so groß, auch wenn der schwache US-Dollar den Unterschied ein wenig kleiner gemacht hat. 

Warum ist es trotzdem ein schlechter Deal? Weil eine Welt, in der der Versuch, viele Interessen zum Vorteil aller unter einen Hut zu bringen, durch eine Welt, in der der Stärkere bestimmt, ersetzt wird. Und es hilft auch nicht viel, dass die Zölle, vor allem auf mittlere Sicht, nicht zum Vorteil der USA sind und die USA in den letzten Jahrzehnten einer der großen Gewinner der Globalisierung waren und sich mit dieser Politik somit selbst schaden. Gerade für ein kleines, offenes und vom Export abhängiges Land wie Österreich ist dieser neue „Wind“ in der internationalen Wirtschaftspolitik besonders gefährlich. Und dabei geht es nicht primär um die kurzfristigen Folgen der erhöhten Zölle – wir schätzen rund ein Viertel Prozentpunkt weniger BIP-Wachstum und 10.000 weniger Arbeitsplätze in Österreich –, sondern um die langfristigen Folgen. Sind schon die Schwankungen der Wechselkurse eine Belastung für Unternehmen im Export (daher haben wir den Euro eingeführt), so sind sich fast täglich ändernde Exportbedingungen durch je nach Laune veränderte Zollbestimmungen eine noch größere Herausforderung. Und möglicherweise bleibt es nicht bei den USA, die Zölle einheben. 

Was kann man tun? Am Ende muss die EU unabhängiger von den USA werden – in jeder Hinsicht – und ihren eigenen Binnenmarkt noch weiter stärken. Diese Erkenntnisse tragen auch schon Früchte, und dies ist der positive Nebeneffekt einer sonst negativen Entwicklung.

Stefan Bruckbauer, Chefökonom der Bank Austria

Stand: 30. Juli 2025.

Stefan Bruckbauer, Chefökonom der Bank Austria

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