Was wird das zweite Halbjahr bringen?

Jedenfalls viel Unsicherheit, so wie auch das erste Halbjahr, dies scheint sicher. Es beginnt bereits mit dem Inkrafttreten der erhöhten Zölle für US-Importe – oder auch nicht. Wir gehen davon aus, dass nicht alles umgesetzt wird, was bisher angedroht wurde, Zölle in Höhe von 10 Prozent auf alle Importe scheinen jedoch fix, was auch unserer Basisannahme entspricht. Unabhängig davon, was im Juli vereinbart wird, lässt das bisherige Verhalten des US-Präsidenten erwarten, dass auch weiterhin große Unsicherheit bestehen wird.

Zusätzlich bringt der Konflikt im Nahen Osten ein weiteres Risiko für die Weltwirtschaft, vor allem, was die Ölversorgung und den Ölpreis betrifft. Hier ist unsere Erwartung etwas optimistischer, zumindest hinsichtlich des Ölpreises. Wir glauben nicht, dass dieser so stark steigen wird, dass er eine ernste Gefahr für die Weltwirtschaft, die europäische Wirtschaft und die weitere Entwicklung der Inflation in Europa darstellen könnte. Daher erwarten wir für das zweite Halbjahr keine globale Rezession mehr, und auch für den Euroraum sollte es Wachstum geben, wenn auch mit unter 1 Prozent im Vorjahresvergleich ein weiterhin sehr geringes. Trotzdem wird die Arbeitslosigkeit im Euroraum weiterhin leicht sinken und auch die Inflation bei rund 2 Prozent liegen. Damit könnte sich noch eine Zinssenkung der EZB im Herbst ausgehen, dann dürfte Schluss sein.

Unter diesen Rahmenbedingungen könnte Österreichs Wirtschaft seine sehr langsame Erholungsphase fortsetzen und die Wirtschaftsleistung real erstmals nach mehr als zwei Jahren im Jahresabstand wachsen, was nach dem schwachen ersten Quartal immerhin reichen würde, um ein drittes Jahr mit negativem Wachstum zu vermeiden. 0,1 Prozent ist aber angesichts der starken Rezession der letzten beiden Jahre nur ein sehr bescheidener Lichtblick. Trotzdem könnte dies eine Trendwende einleiten, vor allem auch für den Arbeitsmarkt, wo wir ab nächstem Jahr kein weiteres Ansteigen der Arbeitslosenquote mehr erwarten. Das Inflationsproblem erweist sich als hartnäckiger als erwartet, die Dienstleistungsinflation infolge des starken Lohnanstiegs wird die Inflation auch im zweiten Halbjahr eher bei 3 als bei 2 Prozent halten – das nächste Jahr sollte allerdings eine Verbesserung in Richtung 2 Prozent bringen.

Alles in allem ist trotz der anhaltend negativen Stimmung in Österreichs Wirtschaft und bei den Haushalten eine leichte Verbesserung im zweiten Halbjahr zu erwarten. Eine wirkliche Erholung nach den Rezessionsjahren ist aber noch nicht in Sicht, dafür sind die Unsicherheiten weiterhin zu hoch, aber auch die strukturellen Herausforderungen zu groß – vom hohen Lohnanstieg über die Deglobalisierung und die Budgetsanierung bis hin zum technischen Wandel. Aber vielleicht gibt es ja auch einmal positive Überraschungen.

Stefan Bruckbauer, Chefökonom der Bank Austria

Stand: 04. Juli 2025.

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