Wie macht das die Schweiz?

Während Österreichs Wirtschaft heute gerade mal 1 Prozent über dem Niveau von vor der Pandemie liegt – pro Kopf sind es sogar 2 Prozent darunter –, ist die Schweiz seit 2019 real um 8,5 Prozent gewachsen – und pro Kopf immerhin noch um fast 4 Prozent. Damit konnte die Schweiz nicht nur stärker wachsen als Österreich, sondern auch deutlich stärker als Deutschland, wo die Wirtschaft heute real genauso viel produziert wie vor fünf Jahren. 

Die Schweiz konnte netto mehr exportieren als Österreich, die Investitionen wurden zumindest nicht reduziert, und die Hälfte des Wachstums kam vom privaten Konsum. Dieser legte in Österreich zwar ebenfalls leicht zu, was aber nicht ausreichte, um den Einbruch bei den Investitionen und den starken Lagerabbau zu kompensieren. Der private Konsum konnte von einem Anstieg der realen Haushaltseinkommen von über 5 Prozent (bezogen auf den Zeitraum seit 2019) profitieren, während diese in Österreich und Deutschland stagnierten. In diesen Ländern gelang es dem Haushaltseinkommen gerade einmal, die Inflation von rund 25 Prozent auszugleichen. Hingegen lag die Inflation in der Schweiz lediglich bei knapp über 5 Prozent. 

Aber die niedrige Inflation – dank regulierter Energiepreise – ist nur die Hälfte des Erfolgs. Denn nicht nur die inländische Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen trug in der Schweiz in den letzten fünf Jahren – anders als in Österreich – ähnlich viel zum Wachstum bei wie vor der Pandemie, sondern es war vor allem die Industrie. 

Konnte Österreichs Industrie vor der Pandemie jährlich einen halben Prozentpunkt zum Wachstum beitragen, kam es seit 2019 zu keinem positiven Beitrag mehr, in Deutschland sogar zu einem negativen. In der Schweiz konnte die Industrie sowohl vor als auch nach der Pandemie jährlich 0,7 Prozentpunkte zum Wirtschaftswachstum beitragen, und war damit für mehr als einen Drittel des Wachstums verantwortlich. Und dies, obwohl die Industrie nur 15 Prozent der Beschäftigten der Schweiz stellt. Einen besonderen Anteil hatte dabei die Pharmaindustrie, die ihre Wertschöpfung seit 2019 um über 50 Prozent real erhöhen konnte und mehr als ein Viertel der Industriewertschöpfung der Schweiz trägt, und dies bei lediglich 8 Prozent der Industriebeschäftigten. Auch in Österreich war die Pharmaindustrie erfolgreich, hat aber nur einen kleinen Anteil von 4 Prozent an der Industrie. Die in Österreich stark vertretenen Branchen wie Metallerzeugung und -bearbeitung, Maschinenbau und vor allem Kfz spielen in der Schweiz eine untergeordnete Rolle. Der Erfolg der Schweizer Wirtschaft basiert also nicht im Wesentlichen auf Finanzdienstleistungen, die zwar doppelt so viel zur Wirtschaftsleistung beitragen wie in Österreich, aber nur halb so viel wie die Schweizer Industrie. Ihr Beitrag zum Wachstum war übrigens, so wie in Österreich, vor und nach der Pandemie ähnlich. Der Erfolg der Schweizer Industrie ist umso erstaunlicher, als die Stundenlöhne in Euro gerechnet um fast 70 Prozent höher sind als in Österreich. 

Allerdings steht die Schweiz auch vor einer Herausforderung: Mit zuletzt rund 14 Prozent ihrer Wertschöpfung ist die dortige Industrie doppelt so stark von den USA abhängig wie die österreichische Industrie. Und der angedrohte Zoll liegt bei 30 Prozent. Aber wer weiß?
 

Stefan Bruckbauer, Chefökonom der Bank Austria

Stand: 27. Mai 2025.

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